Servus #22

In Zeiten von akutem Fachkräftemangel und einem Arbeitnehmermarkt rücken neben den etablierten Mitarbeiterbenefits wie z.B. der betrieblichen Altersversorgung weitere Zusatzleistungen im Bereich der arbeitsrechtlichen Gestaltung und der nicht versicherten Benefits immer mehr in den Fokus der Arbeitgeber. Nur die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen, reicht definitiv nicht mehr aus, um mit den Wettbewerbern mithalten zu können. Vielmehr muss auf das Wohlbefinden der Mitarbeitenden eingegangen werden. Sie wollen flexibel sein, was Arbeitszeit und Arbeitsort anbelangt; sie brauchen Freiheiten, um ihr Privatleben mit ihrem Berufsalltag vereinbaren zu können; und egal, ob es aufgrund von Familienverpflichtungen, ehrenamtlicher Tätigkeiten oder einfach einem zeitlich anspruchsvollen Hobby für sie wichtig ist, mehr freie Tage zu haben – die Standardvereinbarungen sind oft nicht mehr genug. Was der gesetzliche Rahmen hergibt und welche Benefits steuerbegünstigt bzw. steuerfrei angeboten werden können, wissen viele Unternehmen jedoch nicht.

Urlaub / Sonderurlaub: Gesetzlich gibt es in Deutschland bei einer 5-Tage-Woche Anspruch auf 20 Tage Urlaub. Mittlerweile gelten 30 oder mehr Urlaubstage in vielen Branchen als marktüblich, sodass die Zeiten, in denen 25 Urlaubstage als großzügig angesehen wurden und sich die jungen Mitarbeitenden jeden weiteren Urlaubstag pro Jahr erarbeiten mussten, vorbei sind. Auch die Bedeutung von zusätzlichen Sonderurlaubstagen für positive wie weniger schöne Lebensereignisse wird immer größer. Demnach ermöglichen viele Arbeitgeber einen oder mehrere Tage Sonderurlaub für Hochzeit, Umzug, Todesfälle in der Familie oder die Geburt des Kindes. Immer mehr Unternehmen möchten aber auch gar nicht wissen, wofür die Mitarbeitenden zusätzliche freie Tage brauchen und genehmigen mehrere „mental health“ oder „personal obligation“ Tage pro Jahr, die spontan und ohne Angabe von Gründen genommen werden können.

Mutterschutz / Elternzeit: Seit einiger Zeit bekommen wir vermehrt die Frage gestellt, ob man als Unternehmen in Deutschland mittlerweile hinterherhinkt, wenn man außerhalb der gesetzlich vorgegebenen Mutterschutz- und Elternzeitbestimmungen keine weiteren Zusatzleistungen für Familien bietet. Daher stellt sich die Frage, ob Unternehmen zusätzlich bezahlte freie Zeit ermöglichen – für Mütter, den/die PartnerIn oder beide – und falls ja, in welcher Höhe diese Tage vergütet werden. Die Antworten sind eindeutig und insbesondere in der von vielen amerikanischen Unternehmen geprägten Tech-Branche ein relevanter Faktor, ob man sich guten Gewissens als „familienfreundliches Unternehmen“ bezeichnen darf.

Home-Office / Workation: Auch in der Diskussion, ob Post-COVID-19 eine Rückkehr ins Büro wieder zwingend nötig oder zumindest vom Arbeitgeber zu Recht gewünscht ist, überrascht die Antwort: Flexibilität hat hier oberste Priorität und die Mitarbeitenden wollen nicht nur weiterhin uneingeschränkt von zuhause aus arbeiten dürfen, sondern am besten auch vorübergehend von einem anderen Ort oder sogar im Ausland. Hier sollte man aus arbeitsrechtlicher Sicht unterscheiden, ob der Mitarbeitende die Wahl hat, ob er bis zu 5 Tage pro Woche aus dem Home-Office arbeiten möchte oder ob tatsächlich ein reiner Telearbeitsplatz besteht. Um sich heutzutage als attraktiver Arbeitgeber positionieren zu können, bieten Unternehmen Ihren Mitarbeitenden also sogenannte Workations oder gewähren ihnen sogar Sabbaticals, in Form von unbezahltem Sonderurlaub oder anderen Modellen.

Mobilität: Die Einführung des 49-Euro-Tickets („Deutschlandticket“) im Mai 2023 hat die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs deutlich attraktiver gemacht. Arbeitgeber können das Deutschlandticket bzw. generell Jobtickets ihren Mitarbeitenden steuerfrei zur Verfügung stellen, wenn dies zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geschieht (§3 Nr. 15 EStG). Um die Steuerfreiheit außerdem zu gewährleisten, müssen entsprechende Nachweise aufbewahrt und im Lohnbüro zu Dokumentationszwecken erfasst werden. Ein weiteres Benefit aus dem Bereich der Mobilität, welches sich seit geraumer Zeit an Beliebtheit erfreut, ist das Dienstfahrrad. Arbeitgeber leasen dabei die Fahrräder und überlassen diese dann den Mitarbeitenden zur beruflichen und privaten Nutzung. Sofern Arbeitgeber die Fahrräder für die Mitarbeitenden auf ihre Kosten leasen und diese zusätzlich zum Arbeitslohn als Gehaltsextra zur Verfügung stellen, bleibt dieses Benefit in der Regel für die Mitarbeitenden komplett steuerfrei. Umgekehrt kann auch der Mitarbeitende das Dienstrad per Gehaltsumwandlung bezahlen. In diesem Fall wird das Fahrrad mit 0,25 % der unverbindlichen Preisempfehlung vom Mitarbeitenden über eine Vertragslaufzeit von 36 Monaten versteuert.

Familie: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für viele Erwerbstätige ein täglicher Balanceakt und mittlerweile ein bedeutsames Kriterium bei der Jobsuche. Auch hier können Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden steuerfrei unterstützen, indem sie einen Kindergartenzuschuss gewähren. Dieser Zuschuss hat Stand heute keine Obergrenze und ist nach §3 Nr. 33 EStG steuerfrei. Wichtig zu beachten ist, dass nur die tatsächlichen Aufwendungen bezuschusst werden können. Zudem und wie bereits in unserer vorherigen Servus-Ausgabe ausführlich berichtet, kann ein Familienservice die Mitarbeitenden bei der Betreuung von Kindern sowie pflegebedürftigen Angehörigen unterstützen.

Förderung der Mitarbeitergesundheit: Mit Ursprung im US-amerikanischen Markt und mit wachsender Relevanz wird ein allgemeineres Wohlbefinden des Mitarbeitenden angestrebt. Mitarbeitende sind zunehmend allein und örtlich weiter von familiären Strukturen getrennt. Employee Assistance Programmes (EAP) helfen die eigene (besonders die mentale) Gesundheit zu fördern und Stresssituationen entgegenzuwirken. Ein wesentlicher Baustein ist hier die Prävention, die mentalen sowie physischen Krankheiten entgegenwirken soll. Einfache Angebote auf digitaler Basis entwickeln sich auf vielen Plattformen, aber auch eine professionelle psychische und physische Prävention auf persönlicher Ebene wird verstärkt angeboten. Daher offerieren einige Unternehmen mittlerweile auch Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung. Die betriebliche Gesundheitsförderung ist nach §3 Nr. 34 EStG steuerfrei. Somit können Arbeitgeber jährlich bis zu 600 Euro pro Mitarbeitenden steuerfrei für zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken und zur Förderung der Gesundheit aufwenden. Damit die jeweiligen Maßnahmen steuerbefreit geleistet werden können, müssen diese hinsichtlich ihrer Zweckbindung, Zielgerichtetheit, Qualität und Zertifizierung den Anforderungen der §§ 20 und 20b SGB V genügen. Hierzu zählen u.a. zertifizierte Präventionskurse. Ausgeschlossen sind beispielsweise Mitgliedsbeiträge im Sportverein oder Fitnessstudio.

Um sich heutzutage als attraktiver und wettbewerbsfähiger Arbeitgeber positionieren zu können, müssen Unternehmen in mitarbeiterzentrierte Benefits investieren und sich dem Wandel der Ansprüche sowie der Bedürfnisse der Belegschaft anpassen. Starke Sehnsucht nach familienfreundlichen Benefits, einer ausgewogenen Work-Life-Balance sowie Unterstützung bei gesundheitsfördernden Maßnahmen sind drei Schlagworte, die Mitarbeitende bei der Wahl ihres Arbeitsplatzes für wichtig erachten. Ortsunabhängig verfügbare Benefits und die Integration von Remote-Arbeitstechnologien, die es den Mitarbeitenden ermöglichen, von überall arbeiten zu können, steigern zudem die Zufriedenheit und Produktivität und stellen immer mehr einen wichtigen Baustein dar, dass gut ausgebildete und für das Unternehmen wichtige Mitarbeitende sich im aktuellen Job wohlfühlen und somit die Fluktuation möglichst gering gehalten werden kann.

Meike Berger
meike.berger@profion.de

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